Karlsruhe

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Donnerstag, 2. Februar 2017

Wann ist es eine Critical Mass und wann nicht?

Bei dieser Frage geht es dieses Mal nicht darum, wie viele Teilnehmer es braucht, um als Verband zu gelten oder sonstige Details rund um den § 27 der StVO, sondern mehr um die teils leidenschaftlich diskutierte Fragen der Ausführung in der Praxis. Ist es noch eine richtige CM, wenn die Route schon abgeklärt ist und vorab kommuniziert wird? Oder wenn sogar eine Anmeldung bei den Behörden als Versammlung erfolgt? Oder darf man nur dann von Critical Mass reden, wenn unangemeldet gefahren wird und die Strecke mehr oder weniger spontan entsteht?
Die CM Karlsruhe keine echte CM, weil angemeldet...?

Die Diskussion gab und gibt es auch in Karlsruhe und mir scheint oft, dass die Positionen fast unversöhnlich wirken - hier und anderswo. Die ersten CMs in Karlsruhe nach der Wiederaufnahme waren bei der Polizei angemeldet. Dann wurde unangemeldet, aber mit vorab festgelegter Strecke gefahren. Das für fast ein Jahr, in dem wir gar nicht so richtig wahrgenommen wurden - weder von Presse und Öffentlichkeit, noch von Polizei und Stadtverwaltung. Dabei gab es engagierte Radler hier, die sich gewünscht hätten, dass die CM weiter angemeldet würde und deshalb nicht mehr mitgefahren sind.

Spaß haben wir auch so bei der CM - Klemens mit seinem Soundbike hat seinen Anteil daran.
Dann kam die Fahrt im April 2016, bei der zufällig ein Polizist vorbei fuhr und neugierig wurde, was denn hier gerade passiert. Kurz darauf meldete sich das Ordnungsamt beim vermuteten 'Veranstalter' mit der Frage, was denn hier ablaufe und dass man doch darum bitten würde, sich mal zu melden. Wir haben damals die Einladung des Ordnungsamtes zum Gespräch angenommen - auch wenn wir uns explizit nicht als Organisatoren der CM, sondern nur als Teilnehmer sehen. Das Ganze auch in der Hoffnung auf einen Dialog mit Stadt und Polizei, die sich leider (noch) nicht wirklich bestätigt hat.

Zu dem Zeitpunkt hat man seitens der Behörden klar gestellt, dass man eine freie Durchführung der CM nicht zulassen wolle und man bereit sei, uns Schwierigkeiten zu bereiten, wenn wir nicht anmelden würden. Zugegebenermaßen ein ziemliches Armutszeugnis seitens der 'Fahrradstadt' Karlsruhe, wenn man bedenkt, wie liberal und offen man sich andernorts zeigt. In manchen Städten lehnt man eine Anmeldung sogar ab, mit der Begründung, dass damit die Stadt schon zurecht kommen müsse. Selbst in Stuttgart ist es inzwischen möglich, dass durch die Teilnehmer gecorkt wird - Karlsruhe hat damit ein echtes Problem!

Es ergab sich anschließend eine engagierte Diskussion im Kreis der CMler, bei der sich die Anwesenden am Ende dafür entschieden, es zunächst mal mit der Anmeldung zu versuchen. Und ich glaube sagen zu können, dass sich niemand wirklich leicht getan hat mit der Entscheidung. Außerdem ist offensichtlich, dass nicht alle glücklich waren damit. Einige frühere regelmäßige Teilnehmer sieht man leider seither nicht mehr oder nur noch selten. Andere sind zurück gekommen.

Jedenfalls wird seither die CM in Karlsruhe auch angemeldet, nachdem auch schon vorher die Strecke vorher festgelegt und bekannt gegeben wurde. Ist es damit keine 'echte' Critical Mass mehr?

Ich würde auch lieber ohne Anmeldung fahren, aber ich kann für mich daraus keinen Glaubenskrieg machen, nachdem rundherum zurzeit eh zu viele Leute andere wegen Banalitäten ausgrenzen. Tatsächlich sehe ich in der Entwicklung seither durchaus ein paar ganz positive Trends, die es ohne diesen 'Konflikt' nicht gegeben hätte.

Plötzlich ist die CM Karlsruhe viel stärker in der Öffentlichkeit. Die Presse berichtet häufiger über uns. Fast jede Veranstaltung wird vorab in den Medien angekündigt. Das mag auch mit zu den steigenden Teilnehmerzahlen geführt haben. Nachdem es bei den ersten CMs im Zusammenspiel mit der Polizei durchaus ein paar Probleme gab mit riskant überholenden Motorrädern, kann man inzwischen den Eindruck haben, dass die Beamten sich so langsam an uns gewöhnen. Der Ablauf wird entspannter und wir kommen häufig mit den Polizisten sehr angenehm ins Gespräch. Alex hat das von der Januar-CM berichtet. Mir ging es im November so, wo ich mich abschließend bei den Beamten explizit bedankt habe.

Ich sehe zurzeit in dieser Begegnung mit der Polizei einen positiven Effekt, der sich hoffentlich so weiter entwickelt. Im Gespräch mit einem Mitfahrer bei einer der letzten CMs erfahre ich, dass in München sich Beamte inzwischen freiwillig melden, um bei der CM mitzufahren (auch wenn dort nicht angemeldet wird, wenn ich das richtig in Erinnerung habe). Alban Manz hat mir bei einem Telefonat mal erzählt, dass auch in Stuttgart, wo die CM ja harte Zeiten mit den Behörden erlebt hat, inzwischen Polizisten offen zugeben, dass das für sie angenehme Einsätze sind. Vielleicht können wir das hier auch erreichen.

Nicht nur in Karlsruhe erlebe ich noch sehr häufig, dass bei der Polizei noch zu wenig Verständnis für unsere Probleme herrscht. Lieber werden die Radler kontrolliert, als dass daran gearbeitet wird, gefährliche Situationen für uns zu entschärfen. Ein wachsendes Verständnis auf Seiten der Polizei für uns Radler kann deshalb ein erheblicher Vorteil für die Entwicklung des Radverkehrs in unserer Stadt werden und ich würde mal voraussetzen, dass das wirklich der zentrale Punkt für die CMs ist, auf den wir uns alle einigen können: der Radverkehr soll vorangebracht werden!

Vielleicht wird dann auch in der Stadtverwaltung die Gewissheit reifen, dass man uns durchaus mal alleine lassen kann und man gar nicht so sehr auf uns aufpassen muss. Schließlich wollen wir ja nur radeln!

Zwar ist der Post jetzt doch auch ein bisschen ein Plädoyer dafür geworden, dass die Art der Durchführung in Karlsruhe gar nicht so schlecht ist. Aber ganz grundsätzlich ist mein Fazit: mir ist eigentlich relativ egal, wie die kritische Masse an Radlern zusammen kommt. Hauptsache sie rollt!

6 Kommentare:

  1. Der einzige echte Nachteil der Polizeibegleitung ist, dass das dauernde Blaulicht teilweise wirklich übel blendet. Ich hoffe ja, dass die Polizei irgendwann doch noch eine Fahrradstaffel schickt, um mit uns zu fahren.

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    1. Hallo Alex, ja genau, das wär's. Karlsruhes Polizei schafft sich endlich eine Fahrradstaffel an und fährt damit bei der CM mit. Haben wir auch mehrfach angefragt bei der Stadt und immer nur Kopfschütteln geerntet. ;)

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  2. Ich habe die Diskussion CM anmelden ja/nein in Stuttgart verfolgt. Ich kann beide Seiten gut verstehen, bin selbst auch unschlüssig auf welche Seite ich mich den nun stellen soll. Der Grundgedanke ist ja frei und spontan Teil des Verkehrs zu werden. Andererseits gib einem der "Polizeischutz" schon auch noch mal ein größeres Sicherheitsempfinden mit. Ich bin in Stuttgart schon oft zusammen mit Kind mitgefahren. Das hätte ich nicht gemacht, gäbe es die Begleitung nicht.
    Sandy

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    1. Das ist ein Punkt, der vermutlich auch hier für viele Eltern gilt. Alban Manz hat mir damals erzählt, dass besonders die Kleinen es eigentlich ziemlich cool finden, hinter dem Polizeifahrzeug mit Blaulicht zu fahren!

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    2. Geht mir auch so. Ich nehme maximal den großem Junior mit zu CM in Mannheim.
      Klingt ganz gut wie ihr das macht.
      Auch zuletzt in MA gab es ein paar kleine wilde Situationen, die mit der Polizei im Schlepptau so sicher nicht stattgefunden hätten.

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    3. Tatsächlich war jetzt gerade am Freitag die Situation bei uns auch nicht so schlimm. Die Jungs haben halt ein paar Wheelies gemacht. Vermutlich hätte eine kurze Ansage genügt und die hätten brav normal weiter geradelt.
      Tatsächlich sind bei uns doch relativ häufig auch Kinder mit dabei - was ich eine wirklich gute Sache finde.

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